Haupthaus

Rückbau und Entsorgung, damit gingen die ersten Monate ins Land. Im Erdgeschoss musste die Ladeneinrichtung eines Optikerladens entfernt werden und das ganze Obergeschoss präsentierte sich uns als ein Traum in Billig-Laminat. Paneele auf dem Boden, an den Wänden und den Decken. Wo keine Laminatpaneele waren galt es unzählige Schichten an Tapeten zu entfernen.

Ziel dabei war vor allem die Begutachtung der Substanz, genauer das Auffinden von Schäden bzw. Statikproblemen. …und davon gab es reichlich.

Die Vorderwand des Hauses beispielsweise war kaum kraftschlüssig mit dem Rest des Hauses verbunden und hätte theoretisch einfach umfallen können. An anderer Stelle waren wichtige tragende Deckenbalken einfach abgesägt, und großes Gewicht kurzerhand auf einen einfachen Deckenbalken verlagert worden. Dieser Balken hätte jederzeit brechen können und zeigte auch bereits entsprechende Anzeichen in Form von Spannungsrissen. Deckenbalken aus Eiche sind eher ungewöhnlich, da Eichenbalken nur auf Zug und Druck belastet werden dürfen, nicht aber auf Biegung. Dennoch sind in unserem Haus die meisten Deckenbalken aus Eiche. Diese Balken mit riesigem Gewicht auf Biegung zu beanspruchen ist regelrecht selbstmörderisch.

abgesägte Balken die unfachmännisch an einem anderen Balken aufgehängt wurden.
Selbstmörderische Konstruktion

Das Bild zeigt die abgesägten Deckenbalken aus Eiche, die mit Eisenbügeln an einen neuen darüber aufgehängt wurden. Leider lag dieser neue Balken einfach nur auf dem nächsten Deckenbalken auf. An diesem Punkt konzentrierte sich dann das Gewicht von einem Teil des Dachstuhls, den abgesägten Deckenbalken mitsamt der Lehmgefache und einem Podest für die Dachbodentreppe, welches an der Oberseite großzügig mit Estrich gefüllt war. Das hätte jederzeit zusammenbrechen können, war aber beim Kauf des Hauses unsichtbar hinter einer Verkleidung aus Presspappe verborgen. Eine einfache Balkenstütze unter dem Auflagepunkt hat die Sache entschärft – hätte man damals auch machen können. Was wir zum Zeitpunkt der Reparatur nicht wussten, war, dass die Fachwerkskonstruktion der Wand die das ganze Gewicht aufnehmen sollte völlig marode war….

Die dritte kritische Stelle unterstrich den Dilettantismus der Sanierer aus den 1960ern. Hier liefen ursprünglich mal viele Balkenköpfe zusammen und waren miteinander verbunden. Beim Freilegen der Stelle zeigte sich dass die Balken teils weg gefault und teils einfach abgebrochen waren. Statt das zu reparieren um die Statik des Hauses zu erhalten wurde die Stelle einfach mit Bimssteinen voll gestopft und zu gespachtelt.

Für ein weiteres Problem waren die ursprünglichen Bauherren im Mittelalter verantwortlich. Sie haben den Schwellbalken einer tragenden Wand des Hinterhauses einfach auf feuchten Lehm gelegt. Unter dem Gewicht des Hauses ist dieser dann einfach im Lehm versunken und anschließend weitgehend verfault. Ergebnis ist eine Stelle an der das Hinterhaus ca. 20 bis 30cm eingesunken ist. Mit den, der Situation entsprechenden, schiefen Böden hat man dann einfach gelebt.

D.h. die erste Runde konstruktiver Tätigkeiten gehörte unserem Zimmermann. Von all den schönen Lösungen für die vorhandenen Probleme, war die, für die Stelle mit den beschädigten Balkenköpfen, die schönste. Unser Zimmermann erschien auf der Baustelle mit einer „Protese“ aus geschweißtem Stahl, mit der alle im Nichts endenden Balkenköpfe wieder kraftschlüssig miteinander verbunden wurden. Wenn das Haus eines Tages doch mal einstürzen sollte, diese Stelle wird das überleben!

Stahlprotese
Die „Protese“

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