Lehm-Gefache sanieren

Ich sollte zunächst mal mit einem Irrglauben aufräumen. Das Fachwerk – also die Balken – freilegen hat eigentlich nichts damit zu tun, das Fachwerk in seinen ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Ganz im Gegenteil. Sichtbares Fachwerk galt im Mittelalter als Zeichen der Armut. Wohlhabende Menschen lebten in Steinhäusern und damit ein Fachwerkhaus nicht wie ein Fachwerkhaus aussah wurden die Balken in aller Regel mit Lehm überputzt und mit Kalkanstrichen, teils farbig angemalt. Damit sollte der Eindruck eines Steinhauses und somit der Eindruck von Wohlstand entstehen.

Das Fachwerk freizulegen, dient also allein dazu unseren Bedürfnissen nach Gemütlichkeit nachzukommen oder das Herz von Touristen zu erfreuen.

Grundregel Nr. 1 dabei: In Wohngebäuden wird das Fachwerk entweder nur innen oder nur außen freigelegt, keinesfalls beiderseits der Wand. Niemand möchte in einer schlecht isolierten zugigen Bude wohnen. Neben der Tatsache, dass es wirklich durch die Ritzen in Fachwerk zieht, nimmt man sich so jegliche Möglichkeit der Wärmeisolation.

Im Folgenden geht es um die Freilegung und Sanierung des Fachwerks in Innenräumen.

Bei uns begann die Arbeit mit dem Entfernen billiger Laminat-Paneele und reichlich Tapetenschichten. Kommt die oberste Schicht der Kalkanstriche zum Vorschein, geht es zunächst darum die Balken zu finden.

Ein gutes Indiz für den Verlauf der Balken sind Risse in der Wand. Da sich Balken bei wechselnden Temperaturen anders ausdehnen und zusammenziehen als Lehm, reißt dieser oft über den Balken auf. Ansonsten hilft klopfen mit der Rückseite eines Schraubenziehers oder vorsichtiges Hacken von Probelöchern in den Lehm. Sind die Balken gefunden, kann entlang ihres Laufs der sie abdeckende Lehm abgeklopft werden. Dazu optimal geeignet sind Maurerhammer und Gipserbeil.

Maurer Werkzeuge
Maurerhammer & Gipserbeil

Im Idealfall sind beide Werkzeuge zur Hand und zusätzlich ein robustes Cutter-Messer. Sie werden schnell merken, dass sich je nach Winkel in dem ein Balken verläuft mal der eine, mal der andere Hammer besser eignet. Fallen beim Freischlagen der Balken größere Lehmbrocken aus den Gefachen, ist das kein Beinbruch. Ganz im Gegenteil, das wäre früher oder später sowieso gefallen, also lieber jetzt.

Sind die Balken in ihren Verläufen frei, schneiden Sie den Lehm an den Rändern mit dem Cutter in einem Winkel von ca. 45° großzügig weg.

Im nächsten Schritt sind die Balken an der Reihe. Vermutlich werden einige der Balken voller Wurmlöcher sein. Vor allem bei sehr alten Fachwerken wurden die Balken mitsamt Rinde verbaut und die Rinde ist sehr anfällig für den Hozwurmbefall.

Die Balken werden jetzt gebürstet. Das lässt sich mit Akkuschrauber, Bohrmaschine oder auch einem kleinen Winkelschleifer machen. Klar sollte sein, dass eine hohe Drehzahl zwar am Meisten bewirkt, die entsprechende Maschine aber umso schwerer zu beherrschen ist. D.h. Der Winkelschleifer ist am Anfang, wo es ums Grobe geht eine ganz gute Wahl, aber je präziser die Arbeit werden, soll desto eher kommen wir beim Akkuschrauber an.

Als Bürstenaufsätze eignen Sich Kegel-, Scheiben- und Walzenbürsten mit Borsten aus Stahl, Messing oder Nylon. Auch hier gibt es eine klare Abstufung: Stahl fürs Grobe und Nylon fürs Finish, Messing rangiert irgendwo dazwischen. Wenn sich eine Stahlbürste, montiert auf einem Winkelschleifer mal im Lehm verbeißt, werden Sie merken wie viel Kraft in diesen kleinen Monstern steckt. Lassen Sie sich dabei Zeit, und entwickeln Sie ein Gefühl für die eingesetzten Maschinen und die verschiedenen Bürsten. Nebenbei bemerkt, dass ganze ist eine ziemlich staubige Angelegenheit, Mundschutz und lüften sind Pflicht.

Nylon-Scheibenbürste zum Einspannen in eine Bohrmaschine
Nylon-Scheibenbürste

Bürsten Sie von den Balken alles weg, was mehlig und nicht stabil ist, auch wenn Sie dabei das Gefühl haben einen halben Balken zu verlieren. Ist ein Balken durch und durch von Würmern zerfressen und nicht zu retten, kommen Sie bitten nicht auf die Idee ihn auf eigene Faust einfach herauszunehmen. Ziehen Sie einen Zimmermann hinzu, er kann entscheiden, ob ein solcher Balken für die Statik des Fachwerks und somit des Gebäudes wichtig ist oder nicht. Muss ein Balken ersetzt werden, lassen Sie das den Zimmermann machen, bei Ihm sieht es hinterher wieder nach Fachwerk aus…

Sind die Balken gebürstet, fallen relativ schnell die mehr oder minder breiten Ritzen zwischen Lehm und Balken ins Auge. Diese sind jetzt mit Lehm zu verschließen. Als Werkzeug kommen Fugenkellen zum Einsatz. Deren Breiten sind so zu wählen, dass die Klinge der schmalsten Kelle in die Fugen hinein passt, ergänzend dazu noch ein bis zwei etwas breitere Kellen. Die Auswahl macht’s.

Werkzeug zum Verfugen
Fugenkelle

Sieben Sie sich von Ihrem zum Recycling vorgesehenen Lehm mit einem Küchensieb eine ordentliche Portion ab. Wie viel schlussendlich benötigt wird, zeigt sich. Mit einem halben Eimer voll sollten Sie anfangen. Mischen Sie davon wiederum einen Teil mit Wasser und rühren Sie ihn zu einer zähen Masse und heben etwas Kalk darunter. Die fertige Masse sollte sich in etwa so anfühlen wie Knetmasse, also nicht zu flüssig.

Feuchten Sie die Fugen zwischen Lehm und Balken mit einer Gartenspritze gut an und beginnen Sie die Lehmmasse mit den Fugenkellen mit viel Kraft in die Fugen zu pressen und im Anschluss glatt zu streichen. Das hält eine ganze Weile auf und ist für Hände und Unterarme ziemlich anstrengend. Im Internet finden sich viele Anleitungen in denen eine recht flüssige Lehmmasse angerührt und mit einer Bauspritze in die Fugen gespritzt wird. Das geht natürlich auch, hat aber den Nachteil, dass der Volumenverlust bei der Trocknung des Lehm gleich wieder zu neuen Rissen und kleineren Fugen wird und das ganze Prozedere mehrfach zu wiederholen ist. Ich empfehle Variante eins.

Der nächste Schritt gilt den Gefachen selbst. Sie müssen mit Lehm in ihre neue Form gebracht werden. Noch mal der Hinweis, wenn etwas lose ist, stark wackelt, runter damit! Lieber jetzt, als dass Sie später größere Lehmbrocken auf dem Fußboden des frisch renovierten Wohnzimmers finden. Nur leicht bewegliche Lehmteile lassen sich wieder fixieren.

Für diesen Schritt wird eine Lehmmischung benötigt die pastöser ist als die Fugenmischung. Es sollte so sein, dass Sie es mit Kelle und Glättscheibe auf die Wand aufbringen und formen können. Geben Sie Sand hinzu um die Rissbildung zu hemmen. Unter zu viel Sand leidet allerdings die Festigkeit. Bevor Sie den Lehm auf größeren Flächen auftragen, formen Sie die Ränder der Gefache. Die Flanken des Lehms sollten mit ca. 45° zum Balken hin abfallen. Welchen Winkel Sie genau nehmen, bleibt dem eigenen Geschmack überlassen. Lassen Sie den aufgebrachten Lehm erst Trocknen, bevor es an die Flächen geht. Planen Sie, je nach Dicke der aufzutragenden Lehmschicht lieber mehr als weniger Arbeitsschritte ein.  3 bis 5 Zentimeter pro Schicht sind genug, dann trocknen lassen, bevor die nächste Schicht aufgebracht wird. Wichtig ist es den Untergrund immer gut anzufeuchten, bevor Lehm aufgetragen wird. Ohne Anfeuchten, kann es sein, dass die ganze Pracht einfach wieder abfällt.

Um den Gefachen Halt und Festigkeit zu geben wurden früher Steckhölzer und Weidengeflächt zur Stabilisierung genutzt. Ist davon beim Freilegen der Balken viel verloren gegangen oder es müssen große Flächen mit Lehm aufgefüllte werden sollte auch in diesem Schritt wieder armiert werden. Dafür Weidenruten und Steckhözer zu nutzen, macht nur Sinn, wenn Sie ein Gefach im ganzen neu aufbauen. Geht es um Teilfläche, kann gemogelt werden. Handelsübliches Armierungsgewebe aus Glasfaser lässt sich gut in die Lehmschichten einarbeiten und vor allem passgenau zuschneiden. Ich habe die Zuschnitte immer in den noch weichen Lehm der zuvor aufgebrachten Lehmschicht ein-, aber nicht vollständig untergearbeitet. Auf diese Weise hilft es nacheinander aufgetragene Lehmschichten miteinander zu verbinden. Auf diese Weise sind die Gefache Schritt für Schritt in Form zu bringen. Haben Sie Geduld beim Trocknen (kann je nach Umgebungstemperatur und Luftaustausch mehrere Tage dauern) und ärgern Sie sich nicht über Risse. Das Ganze wird anschließend noch mit einer fertigen Lehmputz-Mischung verputzt.

Im Innenbereich kann die Lehmputzmischung so verwendet werden, wie geliefert. Rühren Sie die Mischung von der Konsistenz so an, dass sie sich mit einer Kelle an die Wand werfen lässt ohne wieder herunterzufallen oder bereits von der Kelle zu fließen. Profies werfen den Putz auf diese Art auf der ganzen Fläche an und ziehen Ihn anschließend mit der Glättscheibe glatt. Das erfordert allerdings Übung, alternativ lässt sich der Lehmputz auch mit der Glättscheibe mit ordentlich Druck aufstreichen und glatt ziehen. Nicht vergessen, auch hier den Untergfrund gut anfeuchten, bevor der Putz aufgetragen wird.

Der Putz muss nicht perfekt in Form gebracht werden. Zum einen folgt ein weiterer Arbeitsschritt und zum anderen unterstreichen eher grobe Strukturen den Look der fertigen Wand. Benötigt wird jetzt eine Schwammscheibe und ein Eimer Wasser.

Reibebrett mit Gummischwamm
Schwammscheibe

Der Putz sollte ein bisschen antrocknen, 15 bis 30 Minuten sollten genügen. Dann wässern Sie die Schwammscheibe, streichen ein bisschen Wasser mit leichtem Druck mit der Hand heraus. Führen Sie die Schwammscheibe jetzt über den Putz um Unebenheiten und scharfe Kanten herauszustreichen. Lassen Sie sich dabei auch Zeit und wässern Sie die Schammscheibe immer wieder nach. Auch hier gilt es das richtig Maß zu finden, zu nass und der Putz fließt weg, zu trocken und es hat nicht die gewünschte Wirkung. Also auch hier, üben und Erfahrung sammeln.

Ist der Lehm trocken oder zumindest weitgehend trocken können die Balken abschließend behandelt werden. Sie sind zunächst von Lehmflecken zu befreien, das geschieht am besten mit Akkuschrauber und Nylonbürste – schließlich sollen die Lehmflächen nicht mehr beschädigt werden. Anschließend können die Balken geölt werden. In Innenräumen haben wir hier auf Produkte des Herstellers Osmo gesetzt, Leinölfirnis ist aber auch möglich. Letzteres riecht anfangs und braucht länger zum Trocknen. Das Einzige wrauf es hierbei zu achten gilt: Vermeiden Sie Ölflecken auf den Lehmflächen.

Nach vollständiger Trocknung des Lehmputzes müssen die Gefache mit einer Kaseingrundierung verfestigt werden. Danach sanden Sie nicht mehr und können im natürlichen Lehm-Look bleiben. Bevorzugen Sie andere Farben sollten idealerweise mit natürlichen Farbpigmenten angemischte Sumpfkalkfarben verwendet werden. Farben auf Acryl bzw. Kunstharzbasis unterbinden die Fähigkeit des Lehms die Lufteuchte des Raumes zu regulieren.